3 Fantasy-Welten mit untypischen Geschlechterrollen

Statue der Artemis, die Göttin der Jagd, die nach einem Pfeil in ihrem Köcher greift

In Fantasybüchern ist alles möglich – oder? Da erwachen Drachen zum Leben, es gibt überirdisch schöne, arrogante Elfen, gute und böse Hexen und nette Vampire. Viele Autorinnen und Autoren tüfteln jahrelang am Weltenbau ihrer selbst erschaffenen Reiche, feilen an Sprache, Geografie, Klima und Gesellschaftsstrukturen. Ich behaupte nicht, Expertin für Fantasy-Literatur zu sein. Aber in den vergangenen Jahren sind mir nur wenige Bücher begegnet, deren Welten sich wirklich, wirklich, wirklich abgehoben haben von unseren früheren und heutigen menschlichen Gesellschaften.

Oft begegneten mir mittelalterlich anmutende, monarchische Strukturen, Rassentrennung oder, in der Urban-Fantasy, mit unserer Welt verwobene, geheime Parallelgesellschaften. Häufig sind diese Gesellschaften patriarchisch organisiert, manche gleichberechtigt – was ich immer schon super schön finde. Und manchmal werde ich überrascht von beinahe umgekehrten Strukturen.

Drei solche überraschenden Bücher, die ich im letzten Jahr gelesen habe, möchte ich in diesem Blogpost vorstellen:

Ein E-Book-Reader mit dem E-Book "Die Fürstin und die Rache aus Oran" von Maika Adam neben einer Tasse Kaffee
Lese ich gerade: „Die Fürstin und die Rache aus Oran“ von Maika Adam.

Die „Kampan“-Reihe von Maika Adam

In Maika Adams „Kampan“-Reihe regieren Fürstinnen eine mittelalterliche Welt. Nach einem großen Krieg sollten durch strikte Umkehrung der Geschlechterrollen zukünftige Kriege verhindert werden. In Kampan dienen die fürstlichen Söhne als Ritter einer Fürstin. Seither herrscht zwar Frieden, aber das bedeutet nicht, dass die Welt gerecht ist. Manche Fürstinnen misshandeln, foltern und demütigen. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Iara, die Fürstin von Kampan, die Rechtswissenschaften studiert und einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit besitzt. Aber ihre Reformierungsbemühungen stoßen nicht überall auf Gegenliebe und sind für sie, ihren Ritter Tino und ihre beiden jüngeren Brüder lebensgefährlich.

Band 1 der Reihe habe ich hier rezensiert. Band 2 lese ich gerade.


E-Book-Reader mit dem Cover von "Ashturia" von Naomi Huber, daneben eine Lichterkette
In „Ashturia“ muss ein Prinz bei einer Königin Schutz suchen.

„Ashturia“ von Naomi Huber

Die Welt von Naomi Hubers „Ashturia“ ist ebenfalls mittelalterlich und monarchisch organisiert, mit einem Hauch von Magie. Doch die einzelnen Länder unterscheiden sich hier stark voneinander. Während das Heimatland des Prinzen Liam eher traditionell-patriarchalisch organisiert ist, musste sich Königin Trina von Ashturia ihre Position als Staatsoberhaupt buchstäblich erkämpfen. Denn Ashturia wird vom Stärksten bzw. der Stärksten angeführt. Und so prallen bei der ersten Begegnung von Trina und Liam hier auch zwei Gesellschaftsmodelle aufeinander. Auch, weil Liam bei Trina Schutz suchen muss.

Hier geht’s zu meiner Rezension von „Ashturia“.


E-Book-Reader mit "Gladiator's Love" von Asuka Lionera - daneben ein Playmobil-Zenturio
„Gladiator’s Love“ von Asuka Lionera spielt in einer Fantasywelt, die ganz stark an das römische Reich erinnert. Aber die Gladiatorin Aeryn passt da nicht rein.

„Gladiator’s Love“ von Asuka Lionera

Im einbändige Fantasyroman „Gladiator’s Love – vom Feuer gezeichnet“ von Asuka Lionera kämpft die Gladiatorin Aeryn Tag für Tag erfolgreich in der Arena einer patriarchalisch organisierten, ans römische Reich erinnernden Welt. Sie stammt aus einer anderen Kultur, einer Art Matriarchat, in dem die Frauen magische Kräfte besitzen. Aeryn befindet sich in Gefangenschaft, ihre Kräfte sind durch ein Brandzeichen versiegelt und sie träumt davon, diesem grausamen Schicksal zu entfliehen. Was mich besonders beeindruckt hat, waren hier die untypischen Charaktere. Denn die Kriegerin entsprach charakterlich dem typisch männlichen Love-Interest-Schema anderer Romane: Gutaussehend, schlagfertig und ein wenig arrogant. Während ihr Gegenpart, Cato, der Leibwächter eines Arenabetreibers des Landes, sie praktisch anhimmelt – und dann aber doch über sich hinauswächst und eine sanfte Stärke beweist.

Hier geht’s zu meiner Rezension.

Welche Romane mit ähnlich erfrischenden Rollenmodellen könnt ihr empfehlen?

6 Kommentare

  1. Aus gutem Grund fällt mir hier der Klassiker „Solaris“ ein, von Stanislaw Lem, zuerst 1968 auf Polnisch in Krakau veröffentlicht (staune immer wieder darüber, dass die kommunistische Zensur das hat durchgehen lassen), dann 1972 auf Deutsch, mit vielen Nachdrucken. Es gibt zwei Verfilmungen, herausragend die russische von 1972, von dem unvergessenen Andrej Tarkowski, einer der wenigen Filmregisseure, die in einem Atemzug mit Ingmar Bergman genannt zu werden verdienen, und eine weitere aus Hollywood, immerhin von Steven Soderbergh, die sich (mein Eindruck) mit der Vorlage ein bisschen schwer tut, aber immerhin spielt George Clooney mit. Es geht um einen Astronauten, der auf einen fremden Planeten gerät, ganz und gar bedeckt von einem beseelten Ozean, und dieser Ozean hat die geistige Macht, in das Bewusstsein seiner menschlichen Besucher einzudringen und ihre tiefsten Verstrickungen zu offenbaren. In der Vergangenheit dieses Astronauten gibt es eine solche Verstrickung, nämlich eine Frau, die sich seinetwegen umgebracht hat. Sie taucht auf in der Raumstation, wie ein Gespenst, wie ein Wesen aus Fleisch und Blut, unentrinnbar ist sie herum um den Astronauten, dessen innerste Lebenswirklichkeit sie darstellt. Die Geschichte geht traurig aus, wenn auch mit einer gewissen Hoffnung. Nun ist das bestimmt nicht ein „erfrischendes Rollenmodell“, denn die Frau, um die es geht, ist weniger tätig als vielmehr leidend, aber das Buch thematisiert etwas, was sonst selten in dieser Schärfe gesagt wird, nämlich die unentrinnbare und überwältigende Macht, die eine Frau über einen Mann ausüben kann, einfach, indem er bekennen muss, ob er will oder nicht, sie ist Teil seiner Persönlichkeit geworden, nicht nur seines Lebens, sondern wirklich seiner Person, einfach, indem sie einst da war, und jetzt immerfort da ist, ohne jemals wirklich zu sterben. Der Roman wie auch die Tarkowski-Verfilmung zeigen, was Fantasy/Science Fiction wirklich leisten kann, wenn sie nur einmal die Räume ausgedachter Sozialstrukturen verlässt und in die unauslotbaren Tiefen vordringt, wo das eigentlich Menschliche beginnt. Gesellschaft ist gar nichts, die grenzenlosen Seelenräume des Menschen sind alles.

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    1. Oh, das ist mal wieder eine spannende Ergänzung! Ich glaube, den Titel habe ich sogar schonmal gehört, aber natürlich noch nicht gelesen. Über Ingmar Bergmann hab ich mal ein ganzes Literatur-Seminar besucht, die Filme sind wirklich klasse (oder eben: klassisch).
      Viele liebe Grüße, Tala

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  2. Da könnte man hinzufügen, einige von Bergmans Filmen wären nach heutigen Maßstäben durchaus dem Fantasy-Genre zuzurechnen, vornedran „Das siebente Siegel“von 1957, unvergessliches Meisterwerk in Schwarzweiß, da spielt ein Ritter mit dem Tod Schach, um sein Leben, er reitet, zurückgekehrt vom Kreuzzug, durch eine sterbende Welt im Griff der Pest und des Hexenwahns, der Ritter versucht alleweil, das Rechte zu tun, er findet endlich nach Hause zu seiner Frau, da wartet der Tod schon auf ihn, aber die munteren und leichtsinnigen Gaukler, denen er auf seinem Leidensweg immer wieder begegnet ist, die überleben ihn, und ziehen unverdrossen hinein ins Morgen.- Muss man gesehen haben, beschreiben lässt sich das nicht.

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      1. Und es ist ein Meisterwerk, das für den Zuschauer nicht nur eine Geduldsprobe darstellt. Haben Meisterwerke ja manchmal so an sich. Dieses nicht. Ist immer wieder ein Erlebnis. Freu mich über jeden neuen Beitrag auf deiner Seite!

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