In dieser Zeitreise-Geschichte geht’s mal weder ins Mittelalter noch ins 18. oder 19. Jahrhundert, sondern ins Jahr 1984 in Sachsen. – So weit, so untypisch! Auf Ina Rakis Zeitreise-Roman „Wir sehen uns im Gestern“ für Kinder und Jugendliche bin ich durch meine Liste über Zeitreise-Romane und die dazugehörigen Ergänzungen via Social Media aufmerksam geworden. Die Autorin hat mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt, was meine Meinung aber nicht weiter beeinflussen sollte. Ich hab das Buch gemeinsam mit meiner 10-jährigen Lesemotte gelesen, die es dann sogar in der Schule vorgestellt hat.

Ina Raki
Wir sehen uns im Gestern
- ISBN: 978-3-347-38232-9
- Veröffentlichungsdatum: 20.08.2021
- Buchtyp: Softcover / E-Book / Hörbuch
- Seiten: 220
Worum geht’s?
Hauptperson Alina wacht in der Nacht vor ihrem 14. Geburtstag plötzlich im Körper ihrer ebenfalls 14-jährigen Mutter auf – im Jahr 1984 in der DDR. Abgesehen davon, dass sie nicht weiß, wie sie wieder zurückkommt, muss sie sich möglichst unauffällig verhalten, um die Geschichte nicht zu verändern. Sie tut also so, als sei sie Antje und kenne sich in der fremden Umgebung bestens aus. Natürlich ist das nicht so leicht, wenn in der Schule Russisch auf dem Lehrplan steht und man – nicht nur als Zeitreisende – ganz genau aufpassen muss, was man sagt. Was anfangs noch ganz spaßig beginnt, wird für Alina bald bitterer Ernst.
Wie war’s?
Ich-Erzählerin Alina schreibt ihre Geschichte in Form von Tagebucheinträgen auf. Der Stil ist jugendsprachlich und umgangssprachlich, was den Kontrast zur Vergangenheit noch ein bisschen krasser werden lässt. Dazu gibt es thematisch passende Smileys, die den Text weiter auflockern. Gleichzeitig gibt dieser Stil dem Buch aber etwas Erzählendes, denn als Leserin erfährt man immer erst hinterher, was an einem Tag passiert. Die Handlung ist zwar kurzweilig, aber sie folgt keinem ausgeklügelten Spannungsbogen, auch wenn sich Alinas Lage im Laufe der Geschichte immer weiter zuspitzt.
Das Buch liest sich flüssig und unterhaltsam. Zu Anfang haben uns Alinas naive und herablassenden Äußerungen über die Mode, Musik und Technik in der Vergangenheit etwas gestört. Da ist von Steinzeit, Hinterwäldlern usw. die Rede und auch das eine oder andere Schimpfwort fehlt nicht. Alina hat viele Vorurteile, die sie aber nach und nach zu hinterfragen beginnt.
Was uns außerdem auffiel, ist, dass Alinas flapsige, großspurige Art nicht recht zu dem Bild eines tagebuchschreibenden, zeichnenden Mädchens passen wollte. Ihr Erzählstil klingt vielmehr nach einem extrovertierten Mädchen mit großer Klappe (wir hatten da eine ganz reale Schulfreundin vor Augen, die sich auch sofort wiedererkannt hat). Dafür ist sich Alina in ihrer Art aber durch das Buch hinwegtreu geblieben, sodass wir sie dann so akzeptiert haben, wie sie ist.
Häppchenweise bekommt man beim Lesen auch geschichtliche Einblicke, ohne dass das langatmig werden würde. Das ist die große Stärke dieses Buchs, es schildert ein recht normales Alltagsleben in der DDR – und dürfte deshalb auch für Erwachsene ganz unterhaltsam sein. Es ist gar nicht so einfach, die unsichtbaren gesellschaftlichen Grenzen innerhalb der Diktatur zu beschreiben: Was darf man noch ungestraft sagen, was wird einem Probleme einbringen? Welches Risiko kann man eingehen, welcher Schritt war ein Schritt zu weit? Welche Klamotten sind okay, womit übertritt man die unsichtbare Linie? Das ist Ina Raki sehr gut gelungen, wie ich finde.
Fazit: Das Buch ist ein super Einstieg in die DDR-Alltagsgeschichte. Im Laufe ihrer unfreiwilligen Reise in die Vergangenheit entwickelt sich Hauptperson Alina weiter. Sie lernt nicht nur ihre Mutter und Tante besser zu verstehen, sie gewinnt auch Erkenntnisse für ihr eigenes Leben. Zum Buch hat die Autorin auch Begleitmaterial für den Schulunterricht zusammengestellt.
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