Mit „weißen Hunden“ sind in diesem Buch keine Tiere gemeint. Ich verrate nicht, was dann – lest selbst! Den Ausdruck, der hängen bleibt und der den Titel bildet, bringt eine liebenswerte Nebenfigur ins Spiel. „Weiße Hunde“ ist der dritte Roman des Erfurter Schriftstellers René Müller-Ferchland. Hier kommt eine kleine Buchbesprechung.

René Müller-Ferchland
Weiße Hunde
Erscheinungsdatum: 02.10.2024
Verlag: Jaron
Seitenzahl: 232
ISBN: 978-3-89773-405-0
Worum geht’s?
Die Protagonistin Annerose ist widerborstig, schroff und ungesellig. Sie lebt alleine, arbeitet nur wenige Stunden in einer Drogerie und ihre Katze ist ihr weggelaufen. Doch ihre junge neue Chefin Celine schafft es, sie aus ihrem Schneckenhaus zu locken. Ungewollt kommt dadurch ein sorgfältig verdrängtes Trauma hoch, während eine ungewöhnliche Freundschaft wächst.
Das Buch greift einen ernsten, erschütternden und viel zu wenig beachteten Aspekt der DDR-Diktatur auf: Die Zwangsadoption von Kindern, deren Eltern als systemkritisch galten oder einfach nicht ins sozialistische Ideal passten. Mit der politischen Wende wurde verpasst, die erzwungene Adoption als Menschenrechtsverletzung anzuerkennen. In der Folge haben es Eltern noch heute schwer, Informationen zu ihren Kindern zu bekommen. Hier findet ihr einen interessanten Artikel dazu.
Wie war’s?
Als Leserin habe ich mich Hauptperson Annerose nur langsam nähern können. Sie ist schweigsam und stößt ihre Mitmenschen von sich, um ihre Ruhe zu haben. Zu Hause geht sie keinen Hobbys nach, sondern starrt an eine weiße Wand. Nach und nach lernte ich sie besser kennen und verstehen. Die Wand ist für Annerose nicht leer, sondern beruhigend. Denn in ihr brodelt es – und die hartnäckige Celine, die bald Anneroses Freundin wird, bringt dieses Brodeln an die Oberfläche.
In manchen Situationen wollte ich Annerose am liebsten rütteln, wenn sie mit aller Kraft die wegstößt, die es gut mit ihr meinen. Aber bei ihrer Vergangenheit ist es auch konsequent und verständlich, dass sie sich so selbst im Weg steht und die Veränderung langsam vonstatten geht. Die Erzählweise ist knapp, ohne ausschweifende Beschreibung, was ebenfalls gut zum Charakter der Hauptperson passt. Nebenher spürt man das Flair des Schauplatzes Erfurt. Ich fand es schön, Anneroses Entwicklung und das Wachsen ihrer Freundschaft zu Celine mitzuverfolgen.
Am Ende des Buchs angekommen, hatte ich Lust, Annerose noch länger zu begleiten. Ihr Leben hat sich in wenigen Monaten extrem verändert und man spürt, dass sie noch eine Zukunft vor sich hat.
Von mir gibt’s auf jeden Fall eine Leseempfehlung! – Und: Wer von euch hatte sich (wie ich) bisher noch nie mit dem Thema Zwangsadoption in der DDR befasst?
