Von stürmisch bis wolkenlos – „Überwiegend Himmel“ von Maria M. Koch

Himmel mit Wolken im Abendlicht

Der Buchtitel „Überwiegend Himmel“ von Maria M. Koch, der sich auch tiefblau auf dem Cover spiegelt, ist bei mir gleich hängen geblieben. Er klingt zunächst nach einer spannenden Mischung aus Poesie und lapidarem Wetterbericht, aber schon die ungewöhnliche Wortkombination verrät, dass es um viel mehr geht. Der Himmel zieht sich wie ein blauer Faden durch Maria M. Kochs Roman. Nicht nur als Nachname der Hauptperson mit den beiden Vornahmen Hansi und Léona. Auch als Fotomotiv und Wetterphänomen, das Stimmungen spiegelt und Handlungswendungen ankündigt, kommt der Himmel vor. Darüber hinaus als Konstante im Leben und als Haltepunkt nach dem Tod.

Das Cover zum Buch "Überwiegend Himmel

Maria M. Koch

Überwiegend Himmel – Ein Frauenleben

  • Tolino Media
  • 356 Seiten
  • ISBN-10: ‎ 3757907531
  • ISBN-13‏: ‎ 978-3757907532
  • Lesealter: ‎ Ab 16 Jahren

Worum geht’s?

Hansi Léona Himmel lebt oberflächlich betrachtet ein solides, ordentliches Leben in naturschöner, bayerischen Umgebung. Ihre praktische Seite, Hansi, arbeitet in Teilzeit als Bestatterin und hält es ihrem Sohn zuliebe mit ihrem übergriffigen Ehemann Thomas aus. Aber als sie der gefühlsbetonten Seite, Léona, immer mehr Raum gibt, gerät auch Hansis sorgsam geordnete Welt durcheinander.

Wie war’s?

Ich gebe zu: Der Roman „Überwiegend Himmel – Ein Frauenleben“ hat mich Kraft gekostet. Ich konnte ihn nicht in einem Rutsch lesen, wie ich es bei Büchern, die mich vom Alltag in fremde Welten abtauchen lassen, sonst tue. Zu sehr hat mich Hansi Léonas Schicksal berührt, auch wenn die Hauptperson mir auf Grund ihrer inneren Barrikaden gegen die Außenwelt lange Zeit unnahbar und kühl erschien. Ihre Entscheidungen konnte ich nicht immer nachvollziehen, oft hätte ich anders gehandelt. Was faszinierte Léona beispielsweise an Andreas, mit dem sie erotische Abenteuer erlebt, obwohl er so offensichtlich keine Bindung eingehen will (im Gegensatz zu ihr)? Wieso bleibt sie bei Thomas, wo der sie doch die meiste Zeit wie Dreck behandelt? Aber zu Hansi Léona und ihrem Hintergrund passen ihre Entscheidungen, ihre Ordnungsliebe, ihre kühle Disziplin. Fast verwunderlich und gleichzeitig bewundernswert ist da ihre hartnäckige Hilfsbereitschaft, mit der sie nach Wochen das Herz der verbitterten Nachbarin erobert und mit der sie dem afghanischen Flüchtling weiterhin beisteht, obwohl er straffällig geworden ist.

Hansi Léona leidet unter Kindheitserfahrungen, die sie verdrängt hat und die sich nach und nach in ihr Bewusstsein drängen. Aufopfernd und äußerst liebevoll kümmert sie sich um ihren Sohn. Mit der gleichen stoischen Miene, mit der sie als Bestatterin Tote beerdigt, erträgt sie als Privatperson jeden weiteren Schicksalsschlag. Ganz viele Thematiken strömen auf sie ein – die zerrüttete Ehe, der Verdacht auf Kindesmissbrauch, der bindungsscheue Liebhaber, die gebrochene Nachbarin, der unangepasste Afghane, die Einschränkungen der Pandemie im Jahr 2021 und die vielen, vielen Todesfälle, die Hansi Léonas Arbeitsleben begleiten. Diese Themen können einem schwer auf den Magen schlagen, auf manche Details und Fakten aus dem Bestatterleben hätte ich gern verzichtet.

Aber alle Personen haben Ecken und Kanten. Niemand ist nur schwarz oder weiß, wie im echten Leben. Kleine Grausamkeiten des Alltags werden als Randnotiz erwähnt, was mich beinahe mehr schmerzte, als seitenlange Beschreibungen. Als dann aber ausgerechnet ein tragischer Vorfall Hans Léonas persönlicher Befreiungsschlag wird, konnte ich das Buch leichter lesen. Das letzte Drittel hab ich in kurzer Zeit fertig gelesen. Endlich ein Lichtblick, Zuversicht, Hoffnung! Und das ohne, dass die Hauptperson ihr Glück in einer neuen Liebe finden muss.

Der Roman „Überwiegen Himmel – Ein Frauenleben“ ist nichts für schwache Nerven, aber gleichzeitig poetisch und wunderschön geschrieben, gut durchdacht und regt zum Nachdenken an.

3 Kommentare

    1. Ganz lieben Dank für deinen Kommentar 💜 Die Tanzenden kenne ich noch nicht. Das Buch hier war zwar teilweise nicht so locker-leicht verdaulich, hat mich aber dann doch mit einem guten Gefühl zurückgelassen.
      Viele liebe Grüße,
      Tala

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