Es war einmal … ein Spiegel

Ausschnitt ovaler Spiegel in einem grünen Schrank - Inspiration für "Lindenherz - 824 Jahre durch die Zeit"

Ich möchte in diesem Blogpost einen – für mich – ganz besonderen Spiegel vorstellen. Denn er hat mich zu meinem Zeitreise-Roman „Lindenherz – 824 Jahre durch die Zeit“ inspiriert.

Ich gebe es zu, der Spiegel sieht überhaupt nicht besonders aus, sondern eher alt und schäbig. Er gehörte zu einem riesigen Kleiderschrank aus Massivholz, der links und rechts zwei mannshohe Türen hatte. Das Mittelteil bestand aus drei großen Schubladen, darüber ein Schrankaufsatz, an dessen Tür sich ein ovaler Spiegel befand. Früher soll der Schrank einmal weiß gewesen sein – hat meine Oma gesagt. Er stand offenbar schon in ihrem Jugendzimmer, meine Mutter hat ihm später diesen krassen türkisgrünen Anstrich verpasst.

Auf dem Foto ist der Schrank bereits zerlegt worden, denn nach dem Tod meiner Oma wollte ich ihn gern haben – aber er war nicht transportabel und die Seitenteile sind beim Zerlegen kaputtgegangen. Blieb das Mittelteil, das für sich allein auch nicht mehr das war, was mich fasziniert hatte. Den Spiegel haben wir aber trotzdem aufgehoben.

Ausschnitt ovaler Spiegel in einem grünen Schrank - Inspiration für "Lindenherz - 824 Jahre durch die Zeit"
Detail des Mittelteils des Spiegels, der mich zu „Lindenherz – 824 Jahre durch die Zeit“ inspiriert hat.

Das Foto hab ich 2014 gemacht. Schon damals und sogar noch Jahre davor hat mich der Spiegel fasziniert. Ich hab gedacht: Was mag der schon alles gesehen haben? Und dann im nächsten Moment: Was, wenn da plötzlich jemand anders rausschaut als ich?! Oder: Was, wenn ich drin verschwinde? Es gibt in meinem Kopf und sogar als Datei verschiedene Versionen dieser Story, die mir dann vorschwebte. Eine davon hab ich komplett aufgeschrieben: Sie heißt nun „Lindenherz – 824 Jahre durch die Zeit“.

In der Urfassung gab es beinahe eine Kopie des Hauses meiner Oma, meine Oma ebenso und selbst ihren Hund. Aber je länger ich geschrieben habe, desto mehr haben sich meine Figuren und die Handlung davon emanzipiert. Sie entwickelten ein Eigenleben und wollten eigene Persönlichkeiten – was auch gut ist!

Inzwischen ist das Haus in „Lindenherz“ ein ganz anderes, ein noch fantastischeres, wie ich finde und noch dazu ein Paradies für Buchliebhaber. Die Oma meiner Hauptperson Katharina ist ganz anders als meine eigene – auch, wenn sie beide ihren Garten pflegten und Kuchen mochten. Der Hund, so sehr ich den echten geliebt hab, war für diese Geschichte nicht relevant. Stattdessen gibt es in „Lindenherz“ weitgereiste schöne Pferde…

Geblieben ist allerdings der Schrank mit dem Spiegel, Dreh- und Angelpunkt der ganzen Geschichte. Meine liebe Testleserin Elisabeth hat einmal vorgeschlagen, dass es doch viel einfacher wäre, wenn Katharina durch einen mannshohen Standspiegel ginge statt durch so ein ovales, weit oben sitzendes Schrankteil. Aber das wäre für mich nicht mehr das gleiche gewesen! Deshalb geht die Zeitreise in „Lindenherz“ weiter umständlich an großen Schubladen vorbei mit dem Oberkörper voran.

Wer von euch hat auch einen Lieblingsspiegel?

5 Kommentare

  1. Richtige Wahl! Eine Zeitreise ist eine so komplizierte und unausdenkbare Sache, da muss sich der (die) Reisende einfach drehen und winden und tordüren, um die Passage hinter sich zu bringen. Nur besonders glückliche Leute kommen über den Ozean, ohne seekrank zu werden. Warum sollte das bei einer Reise durch die Zeit anders sein? Auch die Reise nach Hogwarts geht los auf einem unmöglichen Bahngleis. Könnte man noch viele Beispiele finden. Dass du den alten Schrank nicht wegwerfen mochtest, kann ich verstehen. Alte Dinge, die Jahre und Jahrzehnte treu gedient haben, entwickeln ein Eigenleben. Man denkt dann, das verdienen die einfach nicht, jetzt, wo sie nicht mehr können oder einfach nicht mehr gebraucht werden, so mir nichts dir nichts auf dem Müll zu landen. Wenigstens ein ehrenvolles Begräbnis gebührt ihnen! Die alten Juden haben ihre unbrauchbar gewordenen Thora-Rollen in der Synagogenwand bestattet, richtig eingemauert. Machen sie vielleicht heute noch, ich weiß nicht. Das könnte man mit unseren unzähligen technischen Geräten nicht machen, aber wenn ich mir das so überlege, man könnte doch wenigstens winzige Schnipsel aufheben, zum Beispiel von diesem PC hier, an dem ich gerade schreibe, die Abdeckung einer einzigen Taste, und dann das mit Splittern von anderen Geräten in eine würdige Schachtel geben, und wenn dann die Schachtel voll wär, nach Jahrzehnten, könnte man sie in einer feierlichen Zeremonie im Garten vergraben, und dabei all der Geräte gedenken, die getan haben, was sie konnten. Schräge Idee? Vielleicht. Aber all die Gegenstände, die sind und waren doch Teil unseres Lebens. Alles geht mal zu Ende und muss weggeworfen werden, aber irgendwie ein bisschen Respekt zu schenken, das wär doch kein Fehler.

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    1. Das finde ich gar nicht so schräg, ein richtig schöner Gedanke. Auch der Vergleich zu den alten Thora-Rollen. Es gibt einige Dinge, die uns wirklich täglich begleiten. Für mich entwickeln sie wirklich eine Art Persönlichkeit. Vielleicht werden auch deswegen so viele Computer und Telefone nicht zu Recycling gegeben, wie es eigentlich für die Umwelt richtig wäre? Stattdessen heben wir sie irgendwo auf dem Dachboden auf und erinnern uns an die Jahre, als wir sie genutzt haben: Der Laptop vom Studium, das Nachfolgermodell … Einen respektvollen Umgang finde ich da angebracht.
      Ganz lieben Dank für deinen tollen Kommentar!
      Viele Grüße, Tala

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  2. „Die unendliche Geschchte“ von Michael Ende beginnt auch mit einer solchen „Kleinigkeit“. Ich kannte einen kleinen Musikladen, vollgespopft mit kostbaren Instrumenten aus aller Welt. Die Eingangstür zu öffnen, war schon ein Ereignis, weil ein großartiger Gong ertönte. Ja, da begann auch für mich jedesmal so eine Traumgeschichte. Und so vermögen auch alte geliebte Möbel solche Geschichten zu erzählen.
    Ich wünsche weiterhin viel Freude am Schreiben und auch viele Leserfreunde.

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    1. Hallo Gisela, vielen lieben Dank für deine Wünsche und den schönen Kommentar! Ja, manche Gegenstände und Orte haben einfach einen ganz besonderen Zauber, wenn man ihn sieht. Ach, die unendliche Geschichte ist auch wunderschön!!!
      LG, Tala

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